Berat mit Fluss im Vordergrund

Berat & Osumi Canyon

15.04.2024
Roadtrip

Vom Koman-Stausee kommend machen wir eine größere Fahretappe bis nach Berat, das tatsächlich schon im südlicheren Albanien liegt. Die Hauptstadt Tirana lassen wir sprichwörtlich links liegen, da große Städe mit dem Bulli nicht so entspannt zu bereisen sind. Am Nachmittag kommen wir in Berat an. Im park4night wird ein Stellplatz unweit der Gorica Brücke empfohlen, den wir gleich ansteuern. Der Platz ist einfach und die Dusche sieht aus, als ob sie wieder kalt wäre, aber wir haben viel Platz, da außer uns nur ein anderes Auto da ist, und bis in die Altstadt ist es nur ein Hüpfer. Das passt schon so. 

Berat gehört seit 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist bekannt als die "Stadt der 1000 Fenster". Letzteres bezieht sich auf die typisch osmanische Architektur, von der vor allem in den Altstadtvierteln Mangalem und Gorica noch sehr viel erhalten ist. Die verwinkelten, kopfsteingepflasterten Gassen und die gerade im richtigen Maß restaurierten Gebäude bilden wirklich ein sehr schönes Ensemble. Damit das so bleibt, wurde ein Gesetz erlassen, das Neubauten in Stadtteilen mit historischer Architektur verbietet.

Über die neuere Brücke Ura e Varur überqueren wir den Fluss Osum, gleich auf der anderen Seite liegt die im 18. Jahrhundert erbaute Junggesellenmoschee. Der recht eigenwillige Name kommt daher, dass früher kleine Läden in den Arkaden der Moschee untergebracht waren, die von jungen Männern bewacht wurden. 

Besonders schön ist das Viertel Mangalem, das sich steil auf den Burghügel hinaufzieht. Die weißgetünchten osmanischen Häuser wirken fast wie übereinander gestapelt und besitzen an den zum Tal gerichteten Fassaden große Fenster. Ob es tausend sind haben wir nicht nachgezählt, so viele Stufen dürften es aber mindestens bis zur Burg sein. Dort gehen wir nicht hinauf, aber wir finden ein Stück den Hang hinauf ein Hostel, das auch eine tolle Rooftop-Bar hat. Dort genehmigen wir uns einen Drink, spielen mehrere Partien UNO und den Traumblick über die neueren Stadtviertel Berats gibt es gratis dazu.

Am östlichen Fuße des Burgbergs liegt ein recht lauschiger Platz, wo die Königsmoschee aus dem 15. Jahrhundert zu finden ist. Sehr schön ist das steinerne, reichlich mit Inschriften verzierte Grab neben dem Gebäude. Am gegenüberliegenden Ende findet man die Halweti-Tekke. Eine Tekke ist eine Art Kloster für Derwische, worunter wiederum eine mystisch-asketische, dem Sufismus angehörende Bruderschaft verstanden wird. Iris kann da schnell einen Bezug dazu herstellen, da sie vor nicht allzu langer Zeit "Die vierzig Geheimnisse der Liebe" von Elif Shafak gelesen hat - ein wirklich bezauberndes Buch.
 

Buchtipp

Wenn wir schon mal in der Stadt sind, gehen wir auch auswärts Abendessen. Wir schauen in eins der neueren Stadtviertel, da die Auswahl dort größer ist und wir außerdem das Gefühl haben, dass das auch für die Beratas "the place to be" ist. Wir haben recht, auf dem modernen Bulevardi Republika ist gegen Abend hin einiges los. Kinder spielen auf der Straße, viele Leute sitzen auf Parkbänken, treffen und unterhalten sich. Das abendliche Ritual hat in Albanien sogar einen eigenen Namen - Xhiro.

Von Berat geht es für uns - dem Fluss Osum folgend - in südöstlicher Richtung noch ein Stück weiter ins gebirgige Hinterland.

Unser Ziel ist der 13 Kilometer lange Osumi Canyon, dessen Steilwände an manchen Stellen bis zu 80 Metern fast senkrecht abfallen. Das Alter der Schlucht wird auf 2 bis 3 Millionen Jahre geschätzt, weiters wird angenommen, dass sich der Fluss früher seinen Weg unterirdisch durch das Kalkmassiv bahnte und erst zu Tage trat, als die Decke dieses "Tunnels" verschwand. 

Besonders spektakulär sind die Stellen, an denen sich der Canyon verengt. An der schmalsten Stelle besitzt er im Bachbett eine Breite von gerade mal 4 Metern. Obwohl die Schlucht noch nicht weitreichend bekannt ist, und offenkundig (noch) kein Besuchermagnet, wurden an besonders interessanten Stellen bereits ein paar Aussichtspunkte angelegt. Da lassen sich ein paar sehr schöne Fotos schießen. 

Wir fahren so weit entlang des Canyons bis wir zu einer Kreuzung kommen, wo die eine Straße vom Canyon wegführt und die andere zu einer nur mit 4x4 befahrbaren Route wird. Das ist unser Umkehrpunkt, wir müssen heute auch noch die ganze Strecke bis Berat zurückfahren. Bevor wir das machen, suchen wir uns aber noch einen Punkt, wo man auf den Grund des Canyons runtergehen kann. Wir wandern ein gutes Stück am Fluss entlang, bis wir zu einer Stelle kommen, wo uns zumindest auf unserer Seite die fast senkrecht aufragenden Felsen den Weg versperren. Auf dem Rückweg zum Auto beschließt Iris, sich im Osum Fluss abzukühlen. Wir haben zwar keine Badesachen mit, aber Unterwäsche tut's auch und wird bei den Temperaturen sicher schnell trocknen. Die Gelegenheit will ausgenutzt werden, denn wo kann man schließlich in Europa noch ungestört und ganz allein in einem Wildbach baden? Albanien ist wirklich noch so wild und ursprünglich wie wir uns das vorgestellt haben.

Die Beschreibung passt irgendwie auch ganz gut auf den letzten Aussichtspunkt, an dem wir halten. Von der sehr rustikalen Osumi Canyon Bridge haben wir tollen Blick auf die Schlucht - allerdings auch zwischen unseren Füßen durch, denn von den auf Stahlträgern aufgelegten Holzplanken fehlen einige. Der Blick nach unten und auch dass es kein richtiges Geländer an den Seiten gibt ist nicht so angenehm. Yven darf nicht auf die Brücke und der Fotostopp fällt kurz und verkrampft aus.