Islands Südküste
Am nächsten Morgen verlassen wir endgültigen den Skaftafell Nationalpark Richtung Westen. Auch auf „dieser“ Seit ist die Landschaft beeindruckend und Island zeigt sich von seiner schönsten Seite.
Ungefähr auf halbem Weg zwischen Skaftafell und Vík í Mýrdal halten wir an einem Ort, der zwar nicht zu den absoluten Top-Sehenswürdigkeiten Islands zählt, auf Fotos aber so surreal schaurig-schön aussieht, dass er von Anfang an auf unserer Island-To-do-Liste zu musste. Es handelt sich dabei um den Canyon mit dem unaussprechlichen Namen Fjaðrárgljúfur. Da die gerne mit umherwabernden Nebelschwaden fotografierte Schlucht aussieht wie eine Animation aus einem Herr-der-Ringe-Film, nennen wir sie unter uns auch nur die Herr-der-Ringe-Schlucht. Die in etwa 2 Kilometer lange und bis zu 100 Metern tiefe Furche entstand durch Auswaschung des hier vorhandenen Palagonitgesteins durch den Gletscherfluss Fjaðrá.
Als wir da sind ist allerdings nicht viel von neblig-mystischer Stimmung zu sehen. Die Sonne scheint vom fast wolkenlosen Himmel und bei Temperaturen um die 20° können wir für einen kurzen Moment sogar unsere Pullover ausziehen und nur im T-Shirt wandern. Es ist Sommer! Trotz des „unpassenden“ Wetters sind die Felsformationen sehr beeindruckend und die über dem Abgrund hängenden Gitterrost-Aussichtsplattformen auch ohne Nebelmystik nichts für schwache Nerven.
Da man eigentlich nie genug Gletscher sehen kann, peilen wir als nächstes den westlich von Vík í Mýrdal gelegenen Sólheimajökull an. Diese Gletscherzunge ist ein südlicher Ausläufer des Gletscherschildes unter dem die Katla - einer der aktivsten Vulkane Islands - schlummert. Von der Ringstraße zweigt sogar eine asphaltierte Straße ab. Bequem kommen wir so zum großen Besucherparkplatz, wo viele Adventure-Firmen Gletscherbegehungs-Touren anbieten.
Über einen wenige hundert Meter langen Fußweg lässt sich der Gletschersee am Ende des Sólheimajökull erreichen. Da Yven gerade seinen Mittagsschlaf hält, unternehmen wir diese kurze Wanderung ausnahmsweise getrennt von und hintereinander. Abgesehen von den teils mit Vulkansand überzogenen Gletschermassen lassen sich hier die Abenteurer bestaunen, die im zerfurchten, eisigen Gelände ihre erste Gletscherwanderung unternehmen.
Das schöne Wetter müssen wir ausnutzen, und so geht es noch an einen weiteren Ort. Ein wenig Recherche hat ergeben, dass auf der Nahe Vík í Mýrdal gelegenen Halbinsel Dyrhólaey immer wieder Papageientaucher nisten. Da wir grundsätzlich zur richtigen Jahreszeit – also zur Brutzeit – hier sind, wollen wir unser Glück versuchen. Auf dem Weg zur Küste sehen wir aber erst mal die ersten Islandpferde. Eine gute Einstimmung!.
Die Halbinsel Dyrhólaey besteht im Prinzip aus einem einzigen großen Felsen, der steil zum Meer abfällt. Bei stark tosendem Wind und eingemummt so gut es geht, wandern wir auf der Klippe herum und suchen ganz genau die Felsvorsprünge ab, aber außer den von uns wenig geschätzten Möwen sehen wir keine besonderen Vögel. Irgendwie können wir es ihnen auch nicht verübeln, trotz Sonnenschein ist es hier oben richtig ungemütlich. Einen grandiosen Blick bekommen wir allerdings auf ein im Meer stehendes Felstor, das als Synonym für Dyrhólaey gilt, und den sich Richtung Westen erstreckenden Endless Black Beach. Nun ja, eine treffendere Bezeichnung gibt es da sicher nicht.
Da wir uns nur schwer mit der Papageientaucher-Pleite abfinden können, fahren wir auf der Halbinsel noch ein Stück weiter nach Osten. Dieses Gebiet liegt etwas tiefer, also näher am Meer, der Wind bläst aber nicht minder stark und auch von roten Schnäbeln und Schwimmhäuten ist hier nichts zu sehen. Ein Highlight ist aber definitiv der Blick über den kohlrabenschwarzen Reynisfjara Strand. Nachdem wir aber zu durchgefroren für weitere Suchaktionen und Abenteuer sind, peilen wir den Campingplatz in Vík í Mýrdal an, der wieder mit ganz neuen, sauberen und vor allem heißen Duschen überzeugen kann. Die haben wir auch bitter nötig, der Sommer währte nur kurz.
Ungemütlich und nass geht es am nächsten Morgen weiter. Um den Behaglichkeitsfaktor etwas zu erhöhen, geht Iris trotz Nieselregens zum Supermarkt, um frisches Brot zu kaufen. Lieder ist das Geschäft aber noch gar nicht offen, es sperrt erst um 09:00 auf, was sagt man dazu. Dann eben nochmal zurück zum Campingplatz und später wieder zu Krónan, nur um festzustellen, dass der Supermarkt jetzt zwar offen ist, dass es aber kurz nach Öffnung noch kein frisches Brot gibt. Der Tag hat auf jeden Fall noch Luft nach oben.
Nachdem wir ohne frisches Brot gefrühstückt und alles zusammengepackt haben, geht es auf der Ringstraße westwärts weiter bis zum Skógafoss. Das Hochland fällt hier steil zur Küste ab, was dem Wasserfall zu einer beachtlichen Höhe von 60 Metern verhilft. Da er mit 25 Metern auch noch ziemlich breit ist und über eine große Wassermenge verfügt, bildet er einen wunderschönen, gleichmäßig fallenden "Vorhang".
Vom Parkplatz ist es nur ein kurzes Stück bis zum Fuß des Wasserfalls, was auch gut ist, da sich das Wetter seit dem Morgen nicht gebessert hat, was nicht zu langem Wandern animiert. Von oben kommt konstant ein alles überziehender Nieselregen und zusätzlich werden wir auch von der Gischt des Wasserfalls noch ordentlich nass. Unsere Ganzkörper-Regenmontur hält zwar dicht, fühlt sich aber bereits nach kurzer Zeit total unangenehm an. Trotzdem können wir noch von Glück sagen, nicht an der Stelle einer jungen Frau zu sein, die hier in einem leichten, roten Kleid ein Foto-Shooting hat. Sie trägt Gummistiefel, um überhaupt im Wasser stehen zu können, und man sieht schon, dass sie für diesen Job ordentlich die Zähne zusammenbeissen muss. Wir können uns vorstellen, dass die Fotos mit der Location aber sicher super aussehen.
Ziemlich durchgeweicht geht es weiter. Nach kurzer Fahrt erreichen wir schon den Parkplatz des Seljalandsfoss, wo uns ziemlich viele Autos und ein Austernfischer empfangen.
Der Wasserfall selbst scheint aus der Ferne betrachtet - und verglichen mit dem Skógafoss - erst mal eher mickrig zu sein. Als wir näher kommen, stellen wir aber fest, dass der relativ dünne Wasserschleier ordentlich Power hat. Von den auf das natürliche Becken aufprallenden Wassermassen geht ordentlich Gischt ab und wässert uns - obwohl es mittlerweile zu regnen aufgehört hat - nochmal ordentlich ein. Beim Seljalandsfoss gibt es die Möglichkeit auf einem Weg hinter dem Wasserschleier vorbeizugehen, was sehr beeindruckend ist. Nur Yven ist die Sache ganz und gar nicht geheuer und er verweigert lautstark und vehement, hier durchzugehen.
Ein paar hundert Meter weiter nördlich gibt es an der selben Abbruchkante noch einen Wasserfall mit dem eigenartigen Namen "Gljufrabui". Das Besondere an ihm ist, dass er in einer engen Höhle nach unten fällt. Sie ist nicht sehr tief, und man kann man den Wasserschleier auch von außen sehen, aber wir gehen natürlich auch rein und werden nun zum dritten Mal abgeduscht.
Nach der "feucht-fröhlichen" Wasserfalltour, beschließen wir, es für heute gut sein zu lassen und den für unsere weiteren Unternehmungen strategisch günstig liegenden Campingplatz in Flúðir anzusteuern. Auf der Fahrt dorthin bestaunen wir bei nachlassendem Regen noch die schneebedeckten Gipfel der Katla und des Eyjafjallajökulls. Letzterer dürft seit 2010 - als er ganz Europa mit seinen Aschewolken ins Chaos stürzte - wirklich jedem ein Begriff sein.
