San Gimignano & Certaldo
Als besonderes Highlight der Toskana gilt das kleine, aber überaus bekannte Städtchen San Gimignano, das auch oft als das " Manhattan des Mittelalters" bezeichnet wird, was große Erwartungen in uns hervorruft. Die zu dieser Zeit hier ansässigen Patrizierfamilien versuchten sich mit der Höhe ihrer sog. Geschlechtertürme gegenseitig zu übertrumpfen. Von den ursprünglich 72 Türmen sind heute immerhin noch 15 erhalten.
Bevor wir aber in die "Stadt der Türme" - wie sie ebenfalls genannt wird - eintreten, suchen wir uns einen guten Punkt für ein Gesamtportrait. Den finden wir auch relativ leicht, entlang der Via Vecchia per Poggibonsi gibt es einige gute Möglichkeiten für ein wirklich schönes Postkartenbild.
Tipp: Postkartenmotiv
Da wir noch früh dran sind, bekommen wir problemlos einen Parkplatz vor den Toren der Porta San Giovanni, durch die wir den von Stadtmauern umgebenen Teil San Gimignanos betreten. Wir schlendern die enge Via S. Giovanni entlang, am Ende der Straße sieht man bereits die für die Stadt typischen, mittelalterlichen Geschlechtertürme. Auffällig sind außerdem die Überreste der im 13. Jahrhundert entstandenen Chiesa di San Francesco.
Von der an und auf der Stadtmauer gelegenen Via Degli Innocenti aus hat man ebenfalls einen tollen Blick auf die Türme und ins typisch toskanische Umland.
Durch die Via del Castelle kommen wir auf die zentrale Piazza della Cisterna. Der dreieckige Platz entstand im 13. Jahrhundert und diente im Mittelalter als Marktplatz sowie für die Austragung von Turnieren und Festen. Ihr Name rührt von einer öffentlichen Zisterne her, die hier 1287 errichtet wurde. Den zugehörigen Brunnen kann man noch heute bestaunen. Die Piazza ist außerdem von 5 beeindruckenden Geschlechtertürmen umgeben, darunter jener der Familie Ardinghelli, die als das einflussreichste Geschlecht San Gimignanos galt. Schön ist, dass es auf dem Platz - und eigentlich trifft das fast auf San Gimignano als ganzes zu - keine modernen Schaufenster oder Beschilderungen gibt, so dass er auch heute noch viel unverfälschtes mittelalterliches Flair verströmt. Die vielen wuseligen Touristen passen da eigentlich ganz gut dazu.
Über einen nur kurzen Durchgang kommen wir nach der Piazza delle Cisterna auf die Piazza del Duomo, die wiederum in die Piazza delle Erbe übergeht. Die beiden bildeten im Mittelalter das Zentrum des politischen und kulturellen Lebens. Ein paar Stufen führen zu der aus dem 11. Jahrhundert stammenden Kathedrale hinauf. Von dieser Erhöhung lässt sich das Ensemble wunderbar überblicken und es wird etwas leichter, die sagenhaft riesigen Türme aufs Foto zu bringen. Der ultimativ höchste in San Gimignano ist der Torre Grossa, der sich an den Palazzo Comunale angestückelt, ebenfalls auf dem Platz befindet.
Das San Gimignano zwar bezaubernd aber nicht übermäßig groß ist, laufen wir es in sämtlichen Richtungen ab. Über die Piazza Sant'Agostino im Norden des Städtchens geht es weiter in den Parco della Rocca. Der Park liegt auf einer Anhöhe und wir haben von dort einen super Blick auf die Geschlechtertürme und die Chiesa di Sant'Agostino. Die meisten Besucher machen sich offenbar nicht die Mühe hier heraufzukommen, denn es ist total ruhig hier, so dass wir Yven ganz in Ruhe hier sein Mittagessen füttern können. Es gibt dafür sicher schlechtere Orte.
Da es noch nicht allzu spät ist, fahren wir im Anschluss nach Certaldo, das gut 10 Kilometer nördlich von San Gimignano liegt. Sehenswert ist hier vor allem Certaldo Alto, also die historische Stadt, die auf einem Hügel hoch über der modernen gleichnamigen (Neu)Stadt liegt. Die beiden Certaldos sind mit einer Zahnradbahn miteinander verbunden. Wir parken auf der Piazza Boccaccio, die direkt bei der Talstation liegt und nach dem berühmten mittelalterlichen Dichter Giovanni Boccaccio benannt ist, dessen Heimat Certaldo ist.
Leider müssen wir feststellen, dass die Zahnradbahn wohl in dieser Saison gewartet wird. Als Ersatz wurde ein Shuttlebus eingerichtet, der uns aber ebenso nach Certaldo Alto bringen soll. Das ist zwar nicht so romanisch, aber was soll's.
Die Fahrt mit dem Bus ist zwar nicht stilecht aber in Certaldo Alto angekommen werden wir für dafür mehr als entschädigt. In dem kleinen Stadtkern fühlt man sich noch mehr als in San Gimignano direkt ins Mittelalter zurückversetzt. Das Ensemble aus Terrakotta-Häuschen, Terrakotta-Pflaster und Terrakotta-Blumentöpfen spricht für sich und ist wirklich bezaubernd.
Im Gegensatz zu San Gimignano ist hier auch überhaupt nichts los. Die engen Gassen sind wie ausgestorben, abgesehen von einer kleinen Hochzeit, die im Palazzo Pretorio stattfindet. Wir haben genug Ruhe, alles - auch im Detail - zu bestaunen. An den Häuserfassaden ist oft das Stadtwappen Certaldos angebracht. Es zeigt unter anderem eine Zwiebel, die als Symbol Symbol bodenständiger und einfacher Menschen mit ländlicher Tradition interpretiert wird. Zwiebeln wurden in der Umgebung der Stadt traditionell angebaut, was auch Erwähnung in Boccaccios bekanntem Werk Il Decamerone findet, der Stadt aber nicht zu übermäßigem Reichtum verholfen haben dürfte. Certaldos berühmtester Bürger starb verarmt in der Casa di Boccaccio, die heute ein Museum beherbergt.
Entlang der die Stadt umgebenden Mauern lässt es sich recht gut spazieren und den Blick in die Ferne genießen. Von der Südseite aus sehen wir sogar recht gut die Geschlechtertürme San Gimignanons. Alles in allem ein wirklich schöner Abstecher und vielleicht noch so etwas wie ein Toskana-Geheimtipp.