Von Malá Strana bis Holešovice
Neben der allseits bekannten Karlsbrücke lässt sich die Moldau in Prag auch über die Most Legií - die Brücke der Legionen - überqueren. Dabei bekommt man einen wirklich wunderbaren 180°-Panoramablick auf den Hradschin, die Karlsbrücke und Teile der Prager Altstadt - nicht die typischste Prag-Ansicht, aber doch ein echter Hingucker.
Das Besondere an der Brücke der Legionen ist, dass sie einen Zwischenstopp auf der Střelecký ostrov (Schützeninsel) einlegt. Das kleine Eiland inmitten der Moldau scheint ein recht nettes, kleines Naherholungsgebiet zu sein. Vor allem der Bezug zum Wasser ist wirklich schön. Auf der Insel gibt es auch einige (hippe) Strandlokale mit Gastgarten, die bei Schönwetter sicher super sind, um den ein oder anderen Drink zu genießen. Als wir dort sind hängen leider dunkle Gewitterwolken über der Stadt und keins der Lokale ist geöffnet. Da müssen wir unbedingt im Sommer noch mal wiederkommen.
In der Verlängerung der Most Legií befindet sich an der Újezd das Denkmal für die Opfer des Kommunismus. Es ist uns beim Vorbeifahren mit der Straßenbahn bereits aufgefallen, so dass wir später noch einmal zu Fuß hingehen. Auf einem Stiegenlauf aus Beton befinden sich 7 Bronzefiguren, die sich, je weiter sie vom Betrachter entfernt sind, immer mehr auflösen. Auf einem in den Boden eingelassenen Bronzestreifen ist die geschätzte Zahl der Opfer des Kommunismus festgehalten. Es ist schwer zu sagen warum, aber das Denkmal löst zwangsläufig Beklemmung und Unbehagen aus. Wir denken, dass es genau darum geht und es daher ziemlich gelungen ist.
Folgt man der Újezd Richtung Norden wird sie bald zur Karmelitská. Etwas östlich dieser Hauptstraße befindet sich die bereits nahe der Moldau gelegene Kirche St. Maria unter der Kette, die die älteste auf der Prager Kleinseite ist. Der eigenartige Name kommt offenbar von einer Kette, die früher über die angrenzende Moldau gespannt wurde, um von den vorbeifahrenden Schiffen Zoll kassieren zu können.
Einmal um die Ecke gebogen steht man schon vor der John Lennon Wall, einer Graffitimauer, die seit der Ermordung des Musikers 1980 sein Antlitz trägt und sich als Symbol der Freiheit und des politischen Kampfs versteht. Tatsächlich besteht die Wand bereits seit den 60er Jahren, schon damals diente sie als Ort, an dem Liebesgedichte und politische Botschaften hinterlassen wurden. Mit dem Tod Lennons gewann die Sache aber an Fahrt und es tauchten dort vermehrt und immer kritischere Botschaften über Frieden, Liebe und Freiheit auf, die von Seiten des kommunistischen Regimes gar nicht schnell genug übermalt werden konnten. An seinem Todestag - dem 8. Dezember - fanden dort auch immer öfter antikommunistische Proteste statt.
Von der John Lennon Wall sind es nur mehr ein paar Schritte - vorbei an einer alten Wassermühle und einem schönen baumbestandenen Platz - zum westlichen Ende der Karlsbrücke.
Die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit am Westufer der Moldau ist der Hradschin, der Prager Burgberg. Mit Kind im Schlepptau wählen wir die Faultier-Variante, um nach oben zu gelangen. Wir nehmen die Straßenbahn bis zur Station Pražský hrad und haben dann nur noch ein sehr kurzes Stück zu gehen, bis wir die Prager Burg von Norden her erreichen. Wir landen gleich im zweiten Burghof, wo früher unter anderem die kaiserlichen Pferdeställe zu untergebracht waren. Wir werfen auch einen kurzen Blick in den ersten Burghof und den davor liegenden Hradschin-Platz, gehen dann aber wieder in die andere Richtung zum Veitsdom.
Das gotische Meisterwerk wurde ab dem 14. Jahrhundert nach dem Vorbild der französischen Königskathedralen errichtet, was ziemlich gut gelungen ist. In der Krönungskirche der böhmischen Könige befinden sich heute deren Gräber sowie die Krönungsinsignien. Vorrangig beeindruckend finden wir aber die irrwitzig überhöhten, gen Himmel strebenden gotischen Proportionen und die in die Seitenwände eingelassenen Fenster. Sie sind unglaublich farbenprächtig und hinterlassen aufgrund des einfallenden Sonnenlichts wunderschöne, bunte, sich bewegende Schatten auf der Architektur. Da es bereits später am Nachmittag ist, sind auch kaum mehr Besucher da, so dass wir das Schauspiel mit ausreichend Ruhe und ohne angerempelt zu werden, bestaunen können.
Nachdem der Veitsdom seine Tore schließt, gehen wir über den dritten Burghof und den Georgsplatz weiter Richtung Osten. Hier befindet sich das weltberühmte Goldmachergässchen, in dem Alchimisten im Auftrag Kaiser Rudolf II. wohl versuchten, Gold und den Stein der Weisen zu erzeugen. Tagsüber ist für das Betreten des Gässchens ein Ticket erforderlich, ab 17:00 kann man hier aber auch gratis rein. Abends sind auch nicht mehr so viele Besucher unterwegs, man bekommt die 11 winzigen Häuschen also auch ganz gut zu Gesicht. Im Haus Nummer 22 lebte Anfang des 20. Jahrhunderts übrigens Franz Kafka.
Am östlichen Ende des Gässchens werden wir aus der Prager Burg hinausgeleitet. Dort befindet sich einer der schönsten Aussichtspunkte Prags. Sowohl die Altstadt als auch die Kleinseite lassen sich hervorragend überblicken. Man sieht sogar das Menschen-Gewusel auf der Karlsbrücke.
Tipp: Top-Spot
Wir gehen durch eine schöne Parkanlage an der Burgmauer entlang Richtung Westen und dann über die Burgtreppe zurück nach Malá Strana.
Das Zentrum Malá Stranas ist der Kleinseitner Ring, der im positiven Sinn von der barocken Kirche des hl. Nikolaus überschattet wird. Außerdem befinden sich dort jede Menge gemütliche Lokale, in denen es sich ohne Kinder gut versumpfen ließe.
Ein Stück die Moldau abwärts erhebt sich ein weiterer Hügel, der Letná, über die Stadt. Diesmal sind wir weniger faul und besteigen ihn vom Nordende der Tschech Brücke aus. Auf dem Hügel befindet sich der großzügig und weitläufig angelegte Letná-Park, in dem es sich schön spazieren lässt. Die Hauptattraktion hier ist aber das sogenannte Prager Metronom, eine Kunstinstallation, die nach dem Fall des Kommunismus auf dem Sockel eines zerstörten Stalin-Denkmals errichtet wurde. Daher kommt auch der umgangssprachliche Name "Stalin", der für den Ort von den Pragern üblicherweise benutzt wird.
Wir durchwandern den Letná-Park und steigen weiter im Norden in eine Straßenbahn ein, die uns in den Stadtteil Holešovice bringt. Wir wollen kurz auf den dortigen Markt schauen, landen dann aber auf einer Art Messegelände, wo an diesem Wochenende die Maker Fair stattfindet. Da sehen wir uns natürlich ein wenig um. Die Atmosphäre ist gut und die selbstgebastelten Raketen, die dort mit einem lauten Knall abgeschossen werden, ziemlich beeindruckend.
An der Tusarova befindet sich der sogenannte Vnitroblock, ein revitalisierter Komplex alter Industriegebäude, worin sich heute hippe Lokale und Geschäfte, Veranstaltungsräumlichkeiten und ein Tanzstudio befinden. Auch dort tummeln sich nicht gerade wenige Leute bei guter Sonntag-Nachmittag-Chill-Out Stimmung, so dass das Konzept als gelungen bezeichnet werden kann. Besonders nett sind die Sitzgelegenheiten im Freien, wo die großangelegten künstlerischen Graffitis und Backsteinwände der Location einen besonderen Charme verleihen. Leider ist es dafür zu kalt und ungemütlich. Auch hier werden wir nochmal wiederkommen müssen.