Zeitreise durch das moderne Warschau
Da unser Hotel in Warschau - das Hampton by Hilton Warsaw City Centre - wirklich sehr, sehr zentral liegt, können wir die Erkundung der polnischen Hauptstadt direkt vor unserer Haustür beginnen. Bei unserer Anreise am Abend zuvor wurden wir bereits vom toll beleuchteten Kulturpalast empfangen und auch im hellen Tageslicht beeindruckt uns dieses kontroverse Warschauer Wahrzeichen.
Die gesamte Gegend um den Kulturpalast verströmt irgendwie noch eine Rest-Aura aus sowjetischen Zeiten. Das Novotel, der PKO-Rundbau und viele anderen Gebäude hier wurden auch in dieser Ära errichtet. Wir staunen über die Maßstäblichkeit der Gebäude und des städtebaulichen Kontexts, weil wir bislang noch kaum osteuropäische Städte besucht haben, die nicht dem engeren k&k-Imperium zuzurechnen waren.
Eine Ausnahme stellt das Gebäude des Fernmeldeamtes dar, welches ab den späten 20er-Jahren errichtet wurde, Le Corbusiers "fünf Punkten der modernen Architektur" entspricht und den ersten Stahlskelettbau Polens darstellt.
In der Aleje Jerozolimskie kommen wir an einer Milchbar vorbei. Diese "Restaurants", in denen ursprünglich nur preiswerte, vegetarische Gerichte und Milchprodukte angeboten wurden, haben in Polen eine lange Tradition und leisteten vor allem in kommunistischen Zeiten einen wichtigen Beitrag zur preiswerten Versorgung der Arbeiterschaft. Mit der Einführung der freien Marktwirtschaft mussten viele Milchbars schließen, umso mehr freut es uns, dass wir doch noch ein Exemplar seiner aussterbenden Art gefunden haben.
Der Charles de Gaulle-Kreisverkehr wird dominiert von dem um 1930 errichteten monumentalen Gebäude der polnischen Staatsbank Gospodarstwa Krajowego. Weniger imposant ist das gegenüber liegende Partisanen-Denkmal, welches am Beginn der Nowy Świat zu finden ist, welcher wir nun Richtung Norden folgen.
Die Nowy Świat – was wortwörtlich „Neue Welt“ bedeutet - führt uns weiter Richtung Innenstadt und besitzt ein gänzlich anderes Erscheinungsbild als die Gegend um den Kulturpalast. Sie ist eine der "historischen" Straßen Warschaus, die nach dem 2. Weltkrieg im Stil der Zeit um 1800 rekonstruiert wurde.
Wir kommen an einem Denkmal Nikolaus Kopernikus‘, der Heilig-Kreuz Kirche, der Visitantinnen-Kirche und dem Präsidentenpalast vorbei. Eingesprenkelt in dieses Vorkriegs-Ensemble gibt es natürlich ein paar Zeitreisende, wie beispielsweise das "Haus ohne Ecken" aus den 30er-Jahren sowie der ein oder andere fahrbare Untersatz aus der kommunistischen Ära. Nachdem wir die Prachtstraße Nowy Świat, die in die Krakowskie Przedmieście übergeht, abgelaufen sind, erreichen wir bei der St.-Annen-Kirche den eigentlichen Kern Warschaus.
Gleich neben der St.-Annen-Kirche gibt es einen nicht allzu hohen Aussichtsturm, der öffentlich zugänglich ist. Da müssen wir natürlich hinaufschauen und auch wenn die Aussichtsplattform nicht übermäßig hoch liegt, bietet sich doch ein ganz schöner 360°-Rundumblick von ihr. Wir bekommen eine schöne Sicht auf den Burgplatz, die Warschauer Kathedrale und das Warschauer Königsschloss. Aber auch das Hochhausviertel um den Kulturpalast, von wo wir gestartet sind, sowie das Nationalstadion, das anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2012 errichtet wurde, lassen sich hervorragend überblicken. Wir würden sagen, der Aussichtsturm ist ein Pflichttermin.
Vom Burgplatz sind es nur mehr ein paar Schritte bis zum Altstadtmarkt. Heute zeigt sich der Platz recht adrett, die ihn umgebenden Häuschen wirken stilvoll restauriert, die Cafés einladend. Dies ist insofern hervorzuheben, als die Warschauer Altstadt im 2. Weltkrieg - vor allem während der Bombardements im Jahr 1944 - wirklich vollkommen zerstört wurde. Jeder kennt wohl die Schwarzweißbilder, auf denen die ruinenhaften Reste der Bebauung umgeben von Schutt und Asche in den Himmel ragen. Die gesamte Bevölkerung wurde aus der Stadt vertrieben, sie blieb menschenleer und praktisch ausgelöscht zurück. Nichtsdestotrotz wurde die Altstadt bereits in den ersten 10 Nachkriegsjahren vollständig rekonstruiert und ist seit 1980 (wieder) Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.
Abgesehen von den Altstadthäusern wurde auch die sie umgebende äußere und innere Stadtmauer vollkommen restauriert. Der Bereich zwischen den beiden Verteidigungswällen ist teils begrünt und es lässt sich hier nett spazieren gehen.
Beim Barbakan verlassen wir dann die Altstadt Richtung Norden. Wir gehen die Freta entlang, eine sehr nette Straße mit ebenfalls gut rekonstruierter Bausubstanz und jeder Menge netter Cafés und Bierlokale. In einem davon genehmigen wir uns eine heiße Schokolade. Die Traditionsmarke hierfür ist E.Wedel, welche im 19. Jahrhundert von einem aus Deutschland eingewanderten Unternehmer etabliert wurde, und sich bis heute großer Beliebtheit erfreut.
In der Freta befindet sich außerdem das Maria Skłodowska-Curie Museum. Ausnahmsweise ist mal eine Frau die berühmteste Bürgerin einer Stadt - und was für eine. Die weltbekannte Physikerin und Chemikerin polnischer Herkunft, die mehrere Nobelpreise ihr Eigen nennt, dürfte wirklich jedermann ein Begriff sein. Sie definierte den Begriff "radioaktiv" und entdeckte zusammen mit ihrem Ehemann Pierre Curie die chemischen Elemente Radium und Polonium, was auf dem Museumsgebäude durch ein witziges Wandbild dargestellt ist.
Damit aber noch nicht genug. Ein paar Straßen weiter können wir auch noch ein in etwa lebensgroßes, modern interpretiertes Standbild der Naturwissenschaftlerin bewundern. Dass wir bei der Statue sicher eine gute Stunde hängenbleiben, ist allerdings zwei unglaublich süßen Hunden geschuldet, die sich in der angrenzenden Grünanlage ein herzerwärmendes Wettrennen um einen Tennisball liefern.
Von Maria Skłodowska-Curie inspiriert verlassen wir im Anschluss das altstädtische Gefüge Warschaus und machen uns auf zur Universitätsbibliothek der Universität Warschau. Das moderne Gebäude liegt am Ufer der Weichsel und ist insofern besonders, als auf seinem Dach ein 1,5 Hektar großer botanischer Garten angelegt wurde. Es handelt sich dabei um einen der größten Dachgärten Europas, der auch hoch genug liegt, um einen tollen Blick auf die Weichsel, die Altstadt und bis zum Kulturpalast zu bekommen.
Mit dem Bus fahren wir anschließend ein Stück weit in den Süden der Stadt, wo sich der Łazienki-Park befindet. Die größte Parkanlage Warschaus wurde im 17. Jahrhundert als Barockgarten für einen polnischen Aristokraten angelegt und später klassizistisch umgearbeitet. Inmitten von wunderschön angelegten Grünanlagen lassen sich viele Denkmäler, Pavillons, künstlich angelegte Seen und der Łazienki-Palast bewundern. Das große Jugendstil-Denkmal gleich beim Parkeingang ist dem Komponisten Frédéric Chopin gewidmet, der in der Nähe Warschaus geboren wurde. Vor dem Denkmal finden häufig Gratis-Klavierkonzerte unter freiem Himmel statt, was sicher eine ganz tolle Sache ist.
Für uns geht sich das nicht aus, wir nehmen aber vor dem Denkmal auf einer der Chopin-Bänke Platz, die auf Knopfdruck eines seiner Stücke spielen. Das betreffende ist vor allem Iris bekannt, da es - was aber nur eingefleischten Fans auffallen dürfte - in einem der Sisi-Filme verwendet wird. Beiläufig ist es eine Szene im 1. Teil, in der Sisi, ihre Schwester und ihre Mutter bei einem Empfang oder so vorgestellt werden. Wir sind geteilter Meinung darüber, ob man so etwas wissen muss. Von den singenden Parkbänken gibt es insgesamt 15 Stück in Warschau, hauptsächlich entlang des Warschauer Königswegs, wo sie uns aber am Vormittag gar nicht aufgefallen sind.
Nach unserer sehr ausgiebigen Sightseeing-Tour, die uns durch verschiedene Stadtviertel und Epochen der polnischen Hauptstadt geführt hat, genehmigen wir uns ein klassisch polnisches Abendessen, auf das wir uns schon lange gefreut haben. Piroggen sind divers gefüllte Teigtaschen, die generell in Osteuropa verbreitet sind, aber vor allem mit der polnischen Küche verbunden werden. Zu unserer Freude gibt es sie auch oft in vegetarischen Varianten.
Auf einen letzten Absacker schauen wir dann in die Skybar des Marriott Hotels. Sie befindet sich in den beiden oberen Stockwerken des 140 Meter hohen Gebäudes, das für Warschau eine herausragende, stadtbildprägende Wirkung besitzt. Bei einem Cocktail genießen wir den atemberaubenden Blick auf die beleuchteten Nachbargebäude und das Lichtermeer der Stadt. Was für ein toller Tagesabschluss!

