Quartieri Spagnoli

Neapel

05.12.2022
City-Trip

Von Catania kommend landen wir auf dem Flughafen Neapel, der - was in der Regel recht angenehm ist - ziemlich zentrumsnah liegt. Lediglich eine kurze Busfahrt trennt uns von der Piazza Guiseppe Garibaldi, wo sich einerseits der Hauptbahnhof Neapels befindet und andererseits auch - in der Seitengasse Via Milano - unsere Frühstückspension Margherita Rooms. Wir kommen spät abends bereits nach Einbruch der Dunkelheit an und das Bahnhofsviertel ist auf den ersten Blick nicht sehr einladend, was uns aber nicht groß stört und auch als authentisch-italienisch durchgehen könnte. Nachdem wir unsere Sachen aufs Zimmer gebracht haben, machen wir noch eine kleine Spazierrunde in der Umgebung, um ein paar Snacks zu kaufen. Dabei treffen wir dann auf ein umherstreunendes, wildes Hunde-Rudel, und das finden wir dann doch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Wir hätten nicht gedacht, dass es so etwas im westlichen Europa noch gibt. 

Am nächsten Morgen starten wir unsere Tour durch Bella Napoli. Zu Fuß gehen wir von der Piazza Guiseppe Garibaldi nach Südwesten in Richtung Stadtzentrum. Auf der Piazza Municipio bewundern wir den barocken Neptunbrunnen, der mit einer Kuriosität aufwarten kann. Er hat im Stadtgefüge Neapels bereits mehrfach seinen Platz gewechselt, bis er 2015 an der heutigen Stelle landete. Neptun genießt von hier einen tollen Blick auf das Castel Nuovo und den Hafen.

 

Nicht weit von der Piazza Municipio liegt die Galleria Umberto I. Die Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Einkaufspassage wird von imposanten Glas-Stahl-Kuppeln überwölbt und beherbergt zahlreiche elegante Geschäfte und Cafés. Sie ist - wenn man so will - das Herzstück einer umfassenden Stadtsanierung, die nach der Choleraepidemie 1884 begonnen wurde und bis zum 1. Weltkrieg dauerte. 

Über die Piazza Trieste e Trento kommen wir zur Piazza Plebiscito. Der riesige Platz wird regelrecht umarmt von den Kollonaden der Kirche San Francesco di Paola, die stark an das Pantheon in Rom erinnert. Der verkehrsberuhigte, öffentlich zugängliche Platz, auf dem heute auch oft Konzerte stattfinden, existiert kurioserweise allerdings erst seit den 90er-Jahren. Davor wurde er ganz uncharmant als Parkplatz genutzt. Von der Piazza Plebiscito hat man auch einen schönen Blick auf das hoch über der Stadt thronende Castel Sant’Elmo. Wir können uns nicht motivieren, da in der mäßig starken Mai-Sonne raufzusteigen, also durchstreifen wir lieber noch die schattigen Gassen rund um die Piazza und kaufen uns sicherheitshalber ein echtes, italienisches Eis.

Danach wandern wir weiter zur bereits am Meer liegenden Piazza Vittoria. Mittlerweile kommt die Sonne wirklich schön hervor und von der Uferpromenade hat man einen weitreichenden Blick auf die sich weiter nach Westen erstreckende Bucht sowie die im Golf von Neapel liegende, gut erkennbare Insel Capri. Wir spazieren am Wasser entlang Richtung Osten und dann über einen Pier auf die kleine Insel Megaride, auf der das Castel dell'Ovo thront. Die Befestigungsanlage ist die älteste noch erhaltene in Neapel und ihre Gemäuer zu einem Großteil öffentlich zugänglich. Von den Mauerkronen der Festung bietet sich ein großartiger Blick auf die Hafenfront der Stadt, wo teils riesige Kreuzfahrtschiffe vor Anker liegen. Noch monströser ist nur noch der auf der Ostseite des Golfs von Neapel liegende und zum Aushängeschild der Stadt gewordene, mächtige Vesuv. 

Der immer noch aktive, aber seit 1944 sich im Ruhestand befindliche Vulkan am Golf von Neapel ist knapp 1300 Meter hoch und ein besonders formschönes Exemplar seiner Art. Besondere Berühmtheit erlangte er durch einen wohl kaum vorhergesehenen Ausbruch im Jahr 79 n.Chr., bei dem die Orte Pompeji, Herculaneum, Oplontis und Stabiae vollständig unter Schutt und Asche begraben wurden. Die Ausgrabungen sind selbstverständlich zu besichtigen. Wir haben uns allerdings sagen lassen, dass das ein ziemlicher Massenauflauf im Verhältnis zu den relativ bescheidenen archäologischen Resten sei und von da her haben wir uns für unseren zweiten Neapel-Tag für ein naturnaheres Programm entschieden.

Link Artikel Amalfiküste

Als wir dort sind trägt der Vesuv eine witzige Wolkenhaube, was ganz interessant aussieht und ein gutes Fotomotiv abgibt. Überhaupt ist das Castel dell'Ovo ein toller Spot zum Fotografieren, so dass hier eine Auszeichnung fällig ist.

Tipp: Postkartenmotiv

Nachdem wir uns am Vesuv sattgesehen haben, wollen wir ein ganz spezielles Stadtviertel erkunden, das irgendwie nicht nur der Inbegriff von Neapel sondern unserer stereotypen Gesamtvorstellung Italiens ist. Enge, über und über mit Wäscheleinen überspannte Gassen, hupende Vespafahrer, am Straßenrand sitzende Omas und Opas, Tricolore, göttlich duftende Pizzabuden mit Holzofen, Italopop-Klänge, die durch die Gassen schallen und, und, und. Es gibt kein Italien-Klischee, das im Quartieri Spagnoli ausgelassen wird. Obwohl wir schon viel von diesem Viertel erwartet haben, gefällt es uns außerordentlich gut. Nicht nur, aber auch wegen der Klischees. Was besonders beeindruckend ist, ist die Bausubstanz, die sich - im Gegensatz zu den oft sehr herausgeputzten Bauten der Stadterneuerungsphase - ihre Authentizität bewahrt hat. Hier ist nichts zu Tode restauriert oder gentrifiziert. Das Quartieri Spagnoli ist tatsächlich noch ein traditionelles, sehr dicht besiedeltes und ärmeres Viertel, das auch nicht den besten Ruf hat. Uns gefällt es vielleicht gerade deswegen so gut. Da es an den Hängen des Hügels Vomero erbaut ist bieten sich von den weiter oben liegenden Gassen durch die engen Häuserschluchten teils atemberaubenden Ausblicke auf die Stadt und den Golf von Neapel. 

Nachdem uns das Quartieri Spagnoli so verzaubert hat, gehen wir den Hügel wieder runter Richtung Innenstadt. Wolfgang kauft sich eine recht schöne Leder-Geldtasche - Achtung Italien-Klischee die Zweite – und dann setzten wir uns auf der Piazza Dante hin, um uns mit einem Capuccino zu stärken. Auf der Terrasse des Cafés wird uns ein Schauspiel geboten, das den dritten und letzten Akt in der Grande Opera der Italo-Klischees darstellt. Am Nebentisch hat sich eine Gruppe von etwa 10 Erwachsenen - 5 Männer und 5 Frauen - in ähnlichem Alter, so um die 50 bis maximal 60 zusammengefunden. Ganz sicher sind wir uns nicht, aber wir glauben, dass das irgendwie eine Art Familientreffen ist, an dem 5 Geschwister mit ihren jeweiligen Ehepartnern bzw. Lebensgefährten teilnehmen. Die Gruppen unterhält sich erst normal, dann angerecht, dann sehr angeregt und nach kurzer Zeit fangen die ersten Teilnehmer in typisch italienischer Manier wild zu gestikulieren an. Das steigert sich immer mehr und irgendwann brüllen sich die 10 über den großen Tisch hinweg lauthals an, fuchteln dabei wild mit den Händen und strecken sie in regelmäßigen Abständen unheilvoll gen Himmel. 2 von den Herren stehen sogar auf, so dass sie sich über die Köpfe der anderen Schnatterer hinweg noch besser anbrüllen können. Es ist zum Totlachen! Man hätte sich die Szene für einen Film nicht besser ausdenken können. Alles für die Familie!

Nach der Gratis-Unterhaltung durch la famiglia, streifen wir noch eine Weile durch das Centro storico, das sich oft in den dafür typischen Farbtönen von gelb bis rostrot präsentiert. Wie in Italien üblich kommen wir immer wieder an tollen Plätzen vorbei, die auch wie immer mit einladenden Cafés aufwarten können. So ziemlich im geographischen Zentrum des Centro storicos befindet sich die Via San Gregorio Armeno. Die Gasse ist bekannt für die (kuriosen) Artikel, die dort verkauft werden. Hier erhält man nämlich Grundausstattung und sämtliches Zubehör für die neapolitanische Weihnachtskrippe, die im Gegensatz zum klassischen Modell auffallend volksnah ist. Die heilige Familie ist hier nicht Zentrum des Geschehens, es tummeln sich vorrangig Figuren aus dem "einfachen" Volk wie Obsthändler und Pizzabäcker. Ergänzt wird die bunte Schar durch Figuren mehr oder weniger berühmter Persönlichkeiten. Außerdem gibt es die Krippenfiguren - entsprechend ihres kunsthistorischen Werts - in sämtlichen Preiskategorien zu erstehen.

Bevor wir mit dem gemütlichen Teil unseres Neapel-Trips starten, der in der Konsumation neapolitanischer Speisen und Getränke in gemütlichem Ambiente besteht, wollen wir uns aber noch einmal den Vesuv ansehen. Mittlerweile ist der Tag so schön geworden, dass wir den Vulkan auch noch ohne "Tischdecke" bewundern wollen. Wir gehen also wieder in Richtung Hafen und weiter zum Castel Nuovo und werden tatsächlich nicht enttäuscht. Toll sieht er aus im Licht der Abendsonne. Wir bleiben noch einige Zeit am Ufer sitzen und lassen unser Sightseeing-Programm so ausklingen.